Vinyl-Renaissance bei Edel

Eterna AAA Cuts

Die Edel AG aus Hamburg befeuert die Vinyl-Renaissance: Fünf bedeutende Aufnahmen des Eterna-Labels aus der ehemaligen DDR wurden neu aufgelegt.

Historie von Eterna

Der Sänger und Schauspieler „Ernst“ Albert Busch (Jg. 1900) gründete zwei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zusammen mit zwei Kompagnons die Lied der Zeit Schallplatten-Gesellschaft mbH im besetzten Berlin. Möglich wurde dies, weil Busch der Sowjetischen Militäradministration als Emigrant, deutscher Widerstandskämpfer und Kommunist bekannt war. Die Lizenz wurde zunächst für Schallplatten der Sparten ETERNA (Klassische Musik) und AMIGA (Tanzmusik) vergeben, die Gesellschaft am 13. März 1947 ins Handelsregister beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg eingetragen. Busch schien seine Kontakte zu den Sowjets gut nutzen zu können, denn bereits am 30. Januar 1947 wurde in einem Zweigwerk im Erzgebirge die Produktion aufgenommen.

Finanziell stand die Firma allerdings auf wackligen Beinen. Der Justitiar der Zentralverwaltung für Volksbildung in der Sowjetischen Besatzungszone (ZVV) prüfte im August 1947 die Lied der Zeit Produktionsstätten und schlug aufgrund der drohenden Illiquidität des Betriebs die Übernahme durch die ZVV vor, um eine weltweit konkurrenzfähige Plattenindustrie auf die Beine zu stellen. Der Plan blieb zunächst nur auf dem Papier bestehen, wurde aber schnell Realität: Trotz eines Darlehens in Höhe von 866.000 Reichsmark zum Ausgleich der Verluste der Jahre 1947 bis 1949 ging die Rechnung für Lied der Zeit nicht auf. Das Unternehmen, welches auch einen eigenen Musikverlag betrieb, wurde daher bereits wenige Jahre nach seiner Gründung am 1. April 1953 enteignet und verstaatlicht. Aus der Schallplatten-Gesellschaft mbH ging am 23. März 1955 im Handelsregister der Volkseigene Betrieb (VEB) Deutsche Schallplatten Berlin hervor, der Musikverlag war gleichzeitig vom Gesamtunternehmen abgetrennt worden. Eines der bedeutendsten Label dieses VEB war Eterna, das sich auf klassische Musik spezialisierte und von seiner Gründung bis zur Wende auf über 5.000 Veröffentlichungen kam.

Die Teilung Deutschlands trennte viele Künstler und Kulturstätten Ostdeutschlands hinter dem Eisernen Vorhang ab. Gleichzeitig entwickelte die Abteilung Musik des Ministeriums für Kultur in der DDR den Ehrgeiz, ein großes Repertoire an klassischer Musik einzuspielen und auch zu vertreiben. Die Mangelwirtschaft machte es aber schwer, an die dringend benötigten Rohstoffe zu gelangen. Zudem war dem Ministerium für Handel nicht bewusst, welche Besonderheiten es bei der Herstellung und dem Handel mit Schallplatten gab. Erst 1965 konnte durch eine Vereinbarung die Koordination zwischen den Ministerien sichergestellt werden, was zu einem schrittweisen Ausbau des Handels führte.

Nach dem Aufbau eines Grundrepertoires in den 50er-Jahren widmete sich Eterna der systematischen Erweiterung der Musikbibliothek. Hierfür wurden auch ausländische Künstler eingekauft, denn Aufnahmen mit diesen erschlossen zum einen neue Märkte und brachten zum anderen Valuten in die Kasse, mit denen dringende Anschaffungen bei Equipment und Material getätigt werden konnten. Der VEB Deutsche Schallplatten trug mit seinen Einnahmen auch bis zuletzt zum Staatshaushalt bei.

Als herausragend können die Eterna-Einspielungen mit den großen Orchestern (darunter das Gewandhausorchester Leipzig und die Staatskapelle Dresden) und traditionsreichen Chören (Kreuzchor, Thomanerchor) der DDR angesehen werden. Stars wie Kurt Masur, Peter Schreier, Kurt Sanderling, Ludwig Güttler und Theo Adam waren auch international bekannt und renommiert. Daneben gab es immer wieder Kooperationen mit Labels aus Westdeutschland und dem Ostblock, die in Lizenzausgaben resultierten.

Nach der Wende und der damit verbundenen Währungsunion gelang es nicht, den VEB Deutsche Schallplatten in eine GmbH umzuwandeln, die in einer Freien Marktwirtschaft hätte existieren können. Unklare Besitzverhältnisse, häufiger Personalwechsel und verfehlte Strategien aufgrund des Monopolverlusts führten bei dem 1991 in DSB Deutsche Schallplatten GmbH Berlin umbenannten Ex-VEB dazu, dass die Kataloge der Labels einzeln verkauft wurden. 1993 übernahm die Edel AG die bestehenden Rechte am Klassikrepertoire, das unter den Warenzeichen „Eterna“ und „Berlin Classics“ vertrieben wurde.

Technik zur Überspielung

Bei der Herstellung der neuen Vinyl-Serie bediente sich die Edel AG der Tochterfirma Optimal Media in Röbel an der Müritz. Das hauseigene Audio Mastering Studiosector5 ist eine bekannte Institution, wenn es um die Produktion von Vinyl geht. Umfangreiches Analog-Know-how und die entsprechenden originalen Maschinen aus der Blütezeit der Vinyl-Produktion stehen bei Optimal Media zur Verfügung. Auch werden sämtliche Masterbänder von Eterna klimatisiert im Archiv der Firma aufbewahrt. Studioleiter Thorsten Wyk ist sich des einzigartigen historischen und technischen Werts bewusst: So seien fast alle Bänder des ehemaligen VEB Deutsche Schallplatten in einem guten bis sehr guten Zustand.

Aufgrund dieser Tatsache verzichtete man bei der Produktion auf jeglichen digitalen Zwischenschritt und damit ein Remastering. HiFi-Puristen dürfen also aufatmen, denn originaler lassen sich Analog-Aufnahmen nicht auf Vinyl übertragen. Die Bezeichnung AAA, ein Code der Society of Professional Audio Recording Services(SPARS), bedeutet demnach, dass sowohl Aufnahme als auch Abmischung und Mastering auf analogen Geräten durchgeführt wurden. Es herrscht keine Einigkeit bei Vinyl-Hörern, ob eine rein analoge Produktionskette hörbare Vorteile bringt, schließlich komme es vor allem auf das Können der Tonmeister und Toningenieure sowie die fachkundige Aufbereitung für das Medium Vinyl an. Bei der Eterna Vinyl-Serie war dieses Vorgehen aber nur konsequent, denn zum einen entfiel durch den ausgezeichneten Zustand der Bänder aus den Jahren 1961 bis 1975 ein Remastering, zum anderen ist das originale Analogequipment vom Bandgerät bis zur Pressmaschine bei Optimal Media vorhanden.

Zum Abspielen der Masterbänder wurde eine Studer A80 Bandmaschine verwendet, die über einen zwischengeschalteten Neumann EQ die VMS-80/82 DMM Schneidmaschinen (ebenfalls von Neumann) mit der analogen Kost versorgt. Je nach Ausgangsmaterial entschied man sich für das Lackschnitt- oder DMM-Verfahren zur Herstellung der Pressmatrize. Auf der Deckelrückseite der Eterna-Bänder sind technische Hinweise der jeweiligen Produzenten der Aufnahmen notiert. Diese Anweisungen für das Aussteuern und den Gebrauch des Equalizers konnten von Studioleiter Thorsten Wyk bei Optimal Media genau befolgt werden. Selbst mehrere Jahrzehnte nach der Herstellung der Masterbänder treffen die Produzenten-Notizen noch zu, was für die Qualität des Materials spricht. Neben dem sector5 Mastering Studio in Röbel bieten nur wenige Studios in Deutschland den Vinylschnitt an. Die Abbey Road Studios in London verfügen als traditionsreiche Aufnahme-Location ebenfalls über VMS-80/82 DMM Schneidmaschinen.

(Dieser Text entstand als Vorwort für die “AAA Eterna Cuts” Edition.)

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Author
Michael Rassinger
Datum
10. August 2014
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