Das Interview: Mit Fragen kommunizieren

High End 2015: Burmester Audiosysteme GmbH

Die journalistische Form des Interviews gibt einen Dialog zwischen zwei Personen wider. Dabei stelle ich die Fragen so, dass der Interviewpartner Fakten und Geschichten erzählen kann, die ihn und sein Thema für Dritte zugänglich machen und – mit etwas Glück – bisher unbekannte Details ans Tageslicht befördern. Ein Interview lebt von den Aussagen des Interviewten. Je nach Medium und Anlass wird er diese vorsichtig, defensiv, entspannt, entschlossen, lebhaft oder auch aggressiv artikulieren. Entscheidend ist aber, dass man gut zuhört und den Kontext immer im Auge behält.

High End 2015: Das Mekka für Audiophile

Auf der High End 2015, einer der größten Messen für Unterhaltungselektronik im Audio-Bereich, konnte ich den Berliner Unternehmer und Hifi-Hersteller Dieter Burmester interviewen. Burmester starb völlig unerwartet im August 2015 nach kurzer, schwerer Krankheit. Er hatte 1977 eine Manufaktur für hochwertige Hifi-Geräte gegründet und etabliert, der weltweit höchste Anerkennung zuteil wurde. Beim Interview auf der Münchner Messe sprachen wir über High End im Auto.

Im folgenden Text ist das komplette Interview in der finalen Fassung wiedergegeben. Die Schwierigkeit bestand in der Nachbearbeitung, denn Burmester konnte als Experte für das Thema viel erzählen, wollte aber gleichzeitig sichergehen, dass er absolut korrekt wiedergegeben würde. Daher war Nacharbeit nötig, um die Aussagen möglichst unverfälscht zu präsentieren, die Sprache aber so zu gestalten, dass keinerlei Missverständnisse oder Fehlinterpretationen möglich waren. Nur die vorliegende Fassung ist autorisiert, weshalb die Version davor nicht veröffentlicht werden dürfen. Ich kommentiere aber bei einigen Abschnitten, was sich im Vergleich zum ursprünglichen Text inhaltlich geändert hat.

Interview mit Dieter Burmester

Seit wann denken Sie über optimale Beschallung im Auto nach und was war der Auslöser?

Als ich vor etwa 30 Jahren einen Mercedes 420 SL kaufte, entsprach das Soundsystem nicht meinen Erwartungen. Ich ließ mir nachträglich ein hochwertiges System einbauen.

[Burmester war im Gespräch viel ausführlicher und konnte eine schöne Geschichte zum Beginn der Auto-Beschallung erzählen. Letztendlich wollte er es aber sehr sachlich und kurz haben.]

Im Jahr 2002 kam Bugatti mit der Design-Studie Veyron auf mich zu – man plante für dieses Nonplusultra-Auto auch ein entsprechendes High End-System. Wir entwickelten ein System, bei dem beide Insassen eine identische Stereo-Situation hatten, was damals absolut einzigartig war.

Als Porsche den Panamera plante, schlugen wir die anderen drei eingeladenen Firmen, große globale Player der Branche, im Rennen. Beim Blindtest in Weissach schnitten wir als Beste ab, doch bei dem extremen Technologieanspruch, den Porsche hat, wollte man absolut sicher sein, dass wir nicht mit Tricks oder Voodoo arbeiteten, denn sie wollten mit dem Panamera auch beim Soundsystem Maßstäbe setzen. Unsere Abhandlung überzeugte die Ingenieure und wir bekamen den Vertrag.

[Auch hier hätte man eine schöne Story zum Pitch bei Porsche erzählen können. Aus Gründen der Neutralität und den Gegebenheiten der Branche musste es aber ebenfalls sehr sachlich bleiben.]

Als die Zusammenarbeit mit Porsche noch nicht veröffentlicht war, fragte uns Mercedes, ob wir für die neue S-Klasse ein Konzept für ein einzigartiges High End Soundsystem hätten. Wir erhielten viel Freiraum für unsere Ideen und konzipierten sowohl ein Premium System als auch ein High End 3D-System. Mercedes wurde dadurch der erste Hersteller von Luxuslimousinen, der ab Werk ein 3D System anbieten konnte.

Aktuell sind wir in sämtlichen Porsche Modellen, bei Mercedes in allen S-Klasse Modellen, im Maybach Pullman sowie im AMG GT mit beiden Soundsystemen, in der V-Klasse und in der C-Klasse mit dem Premium System ab Werk zu haben.

High End 2015: Burmester Audiosysteme GmbH

Was sind die größten Herausforderungen bei der Beschallung von Autos?

Als erstes natürlich der Klang, aber dann ganz wichtig: das Gewicht!

Bei Porsche und Bugatti kam es auf jedes Gramm an, um bei diesen Super Sportwagen die Performance nicht zu beeinträchtigen! Bei Porsche sind wir von Anfang an in die Entwicklung miteingebunden, um vorgegebene Hohlräume optimal nutzen zu können. Bei der S-Klasse war der Anspruch, in jeder Disziplin, also auch beim Audiosystem, neue Maßstäbe für die Branche zu definieren.

Unser Anspruch ist es, in Zusammenarbeit mit den Automobil-Akustikern und Ingenieuren den jeweiligen Charakter des Fahrzeugs zu treffen. Für jeden Autotyp ist das Schaffen einer Wohlfühl-Atmosphäre eine große Herausforderung, die wir dadurch realisieren, dass jeder Autotyp sein eigenes Soundtuning erhält. Die Insassen sollen nicht mehr über Klang nachdenken – sie sollen sich einfach wohlfühlen. Klang und Automobiltechnik müssen einfach übereinstimmen.

[Hier legte Dieter Burmester auf die technische Komponente Wert und ergänzte einige Passagen, um das Bewältigen der Herausforderungen zu betonen.]

Bringt Ihnen das Gehör als Musiker Vorteile bei der Entwicklung von Automotive-Soundsystemen?

Ich habe das große Glück, dass ich auf der einen Seite mein Leben lang Musik mache und auf der anderen Seite mit Leib und Seele kreativer Ingenieur bin. Obwohl ich in meinem Alter den Frequenzbereich meiner jüngeren Ingenieure nicht mehr habe, scheint es bei der Bewertung von Klangereignissen keine Rolle zu spielen. Die Bewertungen sind sehr ähnlich, aber meistens komme ich aufgrund meiner Erfahrung schneller zum Urteil.

[Der O-Ton aus dem Interview wäre hier toll gewesen, denn er gibt Dieter Burmester als Menschen und leidenschaftlichen Musiker und Musikhörer wieder. Allerdings war ihm diese Passage auch zu gewagt, weshalb sie neutraler formuliert wurde.]

Welches Potential sehen Sie für High End im Auto in den nächsten fünf Jahren?

Wie wichtig High End Audio für die Automobilhersteller geworden ist, erkennt man an der Tatsache, dass Verstärkerleistungen bis weit über 1000 Watt und bis zu 25 Lautsprecher verbaut werden. Für viele Menschen ist das Auto ein Rückzugsort geworden, in dem man positive Emotionen vermittelt bekommt. Eine Stunde Stop and Go morgens und abends in Shanghai, drei Stunden schnurgerader Highway durch Arizona bei maximal 65 Meilen: Was kann man da besseres tun als Musik zu hören?

Der nächste Schritt, das autonome Fahren, macht die Luxuslimousinen zum Wohnzimmer. Der Klang, den man heute in solchen Automobilen geboten bekommt, ist beileibe kein Kompromiss mehr und wird dazu führen, dass Musikliebhaber sich ein besseres System für ihr Wohnzimmer kaufen, weil sie sonst nicht mehr aus dem Auto aussteigen wollen.

[Das Potential der nächsten Jahre wurde von Burmester noch ausführlicher dargestellt als ursprünglich vorgesehen. Eine Frage zur strategischen Ausrichtung und Bedeutung von High-End-Audio im Auto wurde dagegen gestrichen bzw. nicht freigegeben.]

(Das Interview fand am 14. Mai 2015 in München statt.)

Fazit: Man kann bei Interviews davon ausgehen, dass kleine oder auch größere Nacharbeiten nötig sind, wenn der Gesprächspartner es wirklich ernst nimmt. Meine Erfahrung ist, dass unkomplizierte und leidenschaftliche Interviewpartner mit betont lockerer Sprache die kritischsten Leser sind. Im persönlichen Gespräch könnte es eigentlich nicht besser laufen, aber das geschriebene Wort wird genauestens überprüft und auf die Goldwaage gelegt. Daher lohnt sich eine genaue Recherche zum Interviewpartner und das Lesen vorhandener Interviews, um eine Vorstellung zu bekommen. Wer dagegen einen sachlichen und eher knapp antwortenden Gesprächspartner hat, kommt mit einer ausformulierten und zusammenfassenden Gesprächswiedergabe in der Regel gut hin. Als ich einen Professor für Audio-Technologie interviewte, wurde die vorgeschlagene Fassung bis auf zwei marginale Änderungen angenommen. Faktenbasierte Gespräche sind meines Erachtens einfach leichter niederzuschreiben, wenn man im Thema drin ist.

Autor
Michael Rassinger
Datum
14. Februar 2016